Destatis Unfallatlas 2019

Am 28.7.2020 veröffentlichte das Statistische Bundesamt den Hinweis darauf, dass die aktualisierte Ausgabe des Unfallatlas soeben bereitgestellt worden sei. Durch das Update enthält das Portal jetzt auch die georeferenzierten Unfalldaten für das Jahr 2019.

Erstmals auch Nordrhein-Westfalen und Thüringen vertreten

Nachdem die Unfallatlas-Seite 2018 zunächst nur mit den Daten von 7 (2016) bzw. 9 (2017) Bundesländern online gegangen war, wurden Ende 2018 noch die Datensätze für die drei Bundesländer Saarland, Rheinland-Pfalz und Brandenburg aus 2017 hinzugefügt. Mit dem Update vom Sommer 2019 waren dann erstmals auch die Unfallorte aus dem Land Berlin verfügbar. Anders als damals angekündigt, bleibt Mecklenburg-Vorpommern nach der Aufnahme von Nordrhein-Westfalen und Thüringen zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch mit dem diesjährigen Update des Atlas als letztes Bundesland vorläufig noch ein weißer Fleck auf der Landkarte.

Kartendarstellung nach wie vor unbrauchbar

Leider wurde das Portal durch das Daten-Update lediglich inhaltlich aufgefrischt. Die Kartendarstellung des Unfallatlas bleibt für eine detaillierte Analyse weiterhin viel zu undifferenziert. So wird z.B. die tabellarische Ansicht der beteiligten Verkehrsteilnehmer-Arten für die im gewählten Kartenausschnitt angezeigten Unfallpunkte nur verfügbar, wenn man den Punkt „Alle Unfallorte mit Personenschaden“ auswählt, was eine Beschränkung von Ansicht und Tabelle auf einzelne Verkehrsarten ausschließt. Zudem ist die logische Verknüpfung mehrerer Parameter nicht vorgesehen, so dass man z.B. die Anzeige nicht auf [getötet + Fahrrad] begrenzen kann. Die Kartenanzeige lässt weiter keine Unterscheidung zwischen leicht- und schwerverletzten Opfern zu. Da auch nur zwei verschiedene Farben und eine einzige Symbolform für die angezeigten Objekte zur Verfügung stehen, ist leider auch keine visuelle Diskriminierung der vielen Punkte möglich. Nach wie vor ist es auch nicht gestattet, die Daten aller bisher erfassten Jahrgänge gleichzeitig anzuzeigen.

Opendata-Version

Dankenswerterweise haben sich die Verantwortlichen dafür entschieden, neben der wenig nützlichen Webseite auch den Rohdatenbestand weiterhin öffentlich zum Download anzubieten. Das Angebot umfasst, jeweils jahrgangsweise gepackt, Tabellen im *.csv-Format sowie Ordner mit allen notwendigen Files für die direkte Integration in externe Kartenanwendungen. Wer über eine solche Anwendung bereits verfügt oder aber dazu bereit ist, sich eine solche zu besorgen, der wird mit vielfältigen Möglichkeit der genaueren Analyse belohnt.

Analyse der Fahrradunfälle

Das csv-File für 2019 enthält insgesamt 268.370 Einträge zu Unfällen mit Verletzten. Somit sind in den Daten der 15 verfügbaren Bundesländer aktuell 89,4 % der 2019 von destatis erfassten 300.143 Unfälle mit Personenschaden repräsentiert. Mit jetzt 74.550 gelisteten Unfällen mit Fahrradbeteiligung sind nach dem Einschluss zweier weiterer Bundesländer ca. 15.000 Radunfälle mehr als im Vorjahr enthalten. Davon entfallen 383 auf Unfälle mit Getöteten (84 % der veröffentlichten Gesamtzahl von 445). Die Todesfälle habe ich im QGIS-Kartenprogramm mit den in 2019 von mir bereits erfassten Unfallorten überlagert und anhand fehlender Überdeckung 86 Einträge identifiziert, die bisher noch nicht in meiner Datenbank vorhanden waren. Nach Ausschluss der Fälle, bei denen die Online-Recherche nach Vorfällen am Ort im betreffenden Monat aus dem OpenData-File anzeigte, dass ein anderer Verkehrsteilnehmer nach einem Zusammenstoß mit einem beteiligten Radfahrer schwer verletzt oder getötet worden war, verblieben 78 Neueinträge mit getöteten Radfahrern.

Welche Unfälle entgingen der laufenden Erfassung?

Besonders interessiert mich bei der Nacherfassung natürlich die Frage, ob die unveröffentlichten Fälle hinsichtlich Unfalltyp und Unfallgegner eine systematische Abweichung von den übrigen Daten aufweisen, und ob diese Abweichung ggf. darauf schließen lässt, dass vor allem schwere Auffahr- und Streifunfälle von der Tagespresse nicht gemeldet werden. Wie schon bei der Nacherfassung in den drei Vorjahren zeigt sich aber auch für 2019, dass diese Befürchtung nicht zutrifft. Tendenziell bleiben vor allem Alleinstürze (34) sowie Unfälle nach Vorrangkonflikten an Kreuzungen (23) unentdeckt. Lediglich in zwei der Fälle (beide in Kleinstädten <20.000 Einwohner) gab es einen tödlichen Auffahr-/Streifunfall, womit die Quote innerhalb des Kollektivs der nacherfassten Unfälle unterhalb des Anteils an allen bislang erfassten Fällen bleibt. Anders als im vergangenen Jahr, wo sich bei der Nacherfassung die Nachträge fast gleichmäßig auf geschlossene Ortschaften und das unbesiedelte Freiland verteilten, dominieren für 2019 die innerörtlichen Fälle deutlich (60:18). Auffällig ist, dass bei der Nacherfassung keine Rechtsabbieger-Unfälle mit LKW auftauchen. Diese Ereignisse sind offenbar stets so schwerwiegend, dass sie zuverlässig eine umfassende öffentliche Würdigung erfahren.

Ergebnis der Nacherfassung

Die folgende Abbildung zeigt die Verteilung der Unfalltypen und Unfallgegner in Abhängigkeit von der Ortslage. Die Unfälle sind mit den Indexnummern 19-458 bis 19-535 in die Gesamttabelle aufgenommen worden.

blasen2019_nachtrag

Wie man am neuen Höchstwert 19-535 erkennt, liegt meine Statistik derzeit um 90 Einträge über dem offiziellen Wert von Destatis. Dies ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass meine Erfassung immer auch etliche Einträge enthält, bei denen Alleinstürze nicht die amtlichen Kriterien für einen Verkehrsunfall erfüllen. Dabei handelt es sich in erster Linie um -ggf. nach Autopsie- festgestellte krankheitsbedingte Stürze. Der Datenbestand des Unfallatlas enthält im Vergleich zur amtlichen Verkehrsunfallstatistik 2019 jedoch auch eine Dunkelziffer bei Unfällen mit Fremdbeteiligung, was sich bei der Überlagerung im QGIS-Kartenprogramm erkennen lässt. Hier treten in meinem Bestand vereinzelt Markierungen für Unfälle mit Gegnern auf, die nicht von einem beim Unfallatlas notierten Punkt überlagert werden. Dazu passt auch, dass der Unfallatlas mit nur 375 (383 minus 8; s.o.) Einträgen im Vergleich zur amtlichen Zahl von 445 70 Fälle vermissen lässt. Das kann man nicht mit den noch fehlenden Daten für Mecklenburg-Vorpommern erklären, denn in diesem Bundesland umfasst meine Datenbank im Mittel 2013-2019 weniger als 10 Todesfälle von Radfahrern jährlich.

Qualität der polizeilichen Pressearbeit in den einzelnen Bundesländern

Die Abdeckungsrate des schweren Radunfall-Geschehens in den einzelnen Bundesländern ist recht unterschiedlich. Der Preis für die mangelhafteste Pressearbeit geht in diesem Jahr an das Land Niedersachsen, wo die Quote der nicht in der laufenden Berichterstattung als solche gemeldeten Todesfälle bei 21% lag. Überdurchschnittlich gut schnitten die beiden Unfallatlas-Newcomer Thüringen (0%) und Nordrhein-Westfalen (4%) sowie Sachsen (8%) ab. Auch das Saarland hatte 2019 eine vollständige publizistische Abdeckung aller Fahrrad-Todesfälle, was aber bei nur zwei solcher Ereignisse im ganzen Jahr nicht weiter wundert.

 

4 Gedanken zu „Destatis Unfallatlas 2019

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