Update Januar/Februar 2023

Update der Unfallsteckkarte, Update Calendar-Chart 2023, Stand 2.3.2023.

Unfallentwicklung im Januar und Februar 2023

In den ersten beiden Monaten 2023 verlief das Radunfallgeschehen auf durchschnittlichem Niveau. In beiden Monaten lag das Gesamtergebnis mit je 21 Fällen dicht beim Mittelwert aus den vorhergehenden 10 Jahren.

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Es gab 16 tödlich verlaufende Alleinstürze, wobei davon 2x ein PKW als „Unfallgegner“ in die Datenbank eingetragen wurde, da der tödlich verunglückte Radler beim Sturz mit einem parkenden Fahrzeug kollidierte. Ein Radler verstarb in Isernhagen nach Rotlichtverstoß durch Kollision mit einer Straßenbahn an einem Ampel-geregelten Bahnübergang. Je einmal kam es zu einem Todesfall nach Zusammenstoß mit einem Fußgänger bzw. einem zweiten Fahrrad. Die übrigen 23 fatalen Unfälle ereigneten sich unter Beteiligung von fahrenden KFZ.

monatstorte

Hinsichtlich der Verteilung der Radunfälle auf die drei Hauptrubriken „Alleinsturz“, „mit KFZ außerorts“ und „mit KFZ innerorts“ folgen die ersten zwei Monate 2023 insgesamt gesehen dem zuletzt vertrauten Muster: wenig KFZ-Kollisionen innerorts, jedoch viele Alleinstürze und Todesfälle durch KFZ-Unfälle außerorts.

jahresgang2023

Unfälle mit KFZ

Die Unfälle unter Beteiligung von fahrenden KFZ verteilten sich zu 14x mit PKW und 9x mit LKW. Todesfälle mit Krafträdern oder Landmaschinen wurden hingegen wie für Wintermonate zu erwarten nicht gemeldet. Ende Januar kam es binnen nur 5 Tagen zu einer Häufung von gleich 3 tödlichen LKW-Rechtsabbiegerunfällen. Da diese Fälle jedoch die einzigen in den ersten 2 Monaten blieben, ist das Jahr 2023 in dieser Rubrik derzeit dem jüngeren Trend seit 2021 folgend noch unterdurchschnittlich verlaufen. Gleiches gilt für Todesfälle durch Auffahren von hinten, wo es nur jeweils ein solches Ereignis im Januar und Februar zu verzeichnen gab.

kfz2023

Unfall-Cluster in Berlin und Hannover

Anders, als mancher vielleicht nach dem Eindruck glauben möchte, den alarmierende Presseberichte, Mahnwache-Aktionen und Social-Media-Beiträge bei ihm hinterlassen, verlief die Verkehrsunfallentwicklung in Berlin im abgelaufenen Jahr 2022 im Vergleich zu den Vorjahren recht erfreulich. Trotz der weitgehenden Rückkehr zur aus Zeiten vor der Pandemie gewohnten Mobilität zeichnete sich das Jahr mit nur 34 Verkehrsopfern im langjährigen Vergleich durch außergewöhnlich wenige Todesfälle (historischer Tiefstand!) aus. Hierzu trugen auch die nur 10 tödlich verunglückten Radfahrer bei. In den ersten zwei Monaten 2023 gab es allerdings bislang schon 5 tote Radfahrer (2x Alleinsturz, 1x „Dooring“ auf einer PBL von der Beifahrerseite und 2x Kollsion mit fahrenden PKW). Es bleibt abzuwarten, inwiefern es sich bei der zeitlichen Häufung um den Beginn einer Trendwende handelt, oder ob sie lediglich auf einer Laune des Zufalls beruht. Die gleiche Schlussfolgerung gilt auch für einen Cluster von tödlichen Fahrradunfällen im Großraum Hannover, wo es binnen 3 Wochen ebenfalls 5 tote Radfahrer gab (1x Alleinsturz, 1 Auffahrunfall, 2x LKW-Rechtsabbieger, 1x Radfahrer Linksabbieger mit überholendem LKW von hinten).

Für alle, die meinen, es handele sich bei solchen auffälligen örtlich-zeitlichen Häufungen nicht um Zufall, lautet die gute Nachricht angesichts der bundesweit durchschnittlichen Gesamtentwicklung (s.o.) logischerweise: der Verkehr ist für Radfahrer außerhalb von Berlin bzw. jenseits des Großraums Hannover zum Jahresbeginn sehr viel sicherer geworden… (Zwinkersmiley)

Neue Jahresprognose 2022

Mitte Februar 2023 veröffentlichte das Statistische Bundesamt gemeinsam mit der Meldung über die Gesamtzahl der Verkehrstoten für 2022 auch eine Prognose für die einzelnen Verkehrsarten auf Basis der bis Ende November 2022 vorliegenden detaillierten Unfallstatistik. Demnach liegt die Summe aller Verkehrstoten in 2022 9% höher als im Vorjahr, jedoch auch 9% unter dem Ergebnis aus 2019, dem letzten Jahr vor der Corona-Pandemie. Bei Radfahrern speziell allerdings soll es wohl mit 478 Toten eine um ca. 28% über dem Wert von 2021 (372) bzw. um 7% über dem von 2019 (446) liegende Opferzahl geben. Bis Ende November wies die amtliche Unfallstatistik jedenfalls bereits 454 getötete Rad- und Pedelecfahrer aus. Damit wäre etwa die Hälfte des Anstiegs bei den gesamten Verkehrstoten allein auf den Radverkehr zurückzuführen. Die Zahl liegt auch ganz erheblich über der von mir im Vorfeld abgegebenen Prognose von ca. 400 Opfern. Besonders stark ist die Abweichung zwischen meiner Erfassung und der amtlichen Statistik bei der Summe der innerorts verstorbenen Radler. In diesem Sektor waren allerdings in der Vergangenheit beim Abgleich mit den OpenData-Files des Unfallatlas-Portals immer nur relativ wenige Nachmeldungen bei Unfällen mit KFZ-Beteiligung nötig. Das ist auch durchaus plausibel, da schwere Fahrradunfälle mit KFZ innerhalb von bebauten Gebieten recht zuverlässig von der Öffentlichkeit bemerkt und nachfolgend der Hergang durch Presseberichte gut abgedeckt vermeldet wird. Ich erwarte daher, dass die schlimme Bilanz vor allem durch ein besonders starkes Anwachsen von tödlichen Alleinstürzen insbesondere von Senioren zustande kommt (ein Problem, mit dem auch die Sicherheitsbilanz des Radverkehrs in den Niederlanden schon länger zu kämpfen hat). Leider wird diese Hypothese erst mit der Publikation der jährlichen Destatis-„Verkehrsunfälle“-Ausgabe (Fachserie 8, Reihe 7) im Sommer zu überprüfen sein – lange nachdem alle Medien und NGOs unwidersprochen ihre abschreckenden „Autoverkehr immer gefährlicher!!“-Angstkampagnen auf der Basis des aktuellen Anstieges gefahren haben.  

Kinderunfälle 2022

Sechs radfahrende Kinder kamen in 2022 ums Leben

Im vergangenen Jahr 2022 wurde über 6 tödliche Fahrradunfälle mit Kindern unter 15 Jahren in den Medien berichtet. Dies sind 3 weniger als im Vorjahr 2021 und sogar 15 weniger als 2018, als es noch insgesamt 21 getötete Kinder gab. Das Durchschnittsalter lag mit 10,3 Jahren etwas niedriger als in 2021, was dadurch bedingt ist, dass auch zwei Fünfjährige ums Leben kamen. Wie gewohnt überwiegt der Anteil der Jungen bei den Opfern (5 von 6).

Drei der tödlich verunglückten Kinder starben an Bahnübergängen, wobei in allen drei Fällen die Übergänge nicht durch Schranken bzw. Lichtsignale gesichert waren, sondern einfache Drängelgitter den Vorrang des Zugverkehrs gewährleisten sollten.

Nur ein radfahrendes Kind in einer Großstadt ums Leben gekommen

Im gesamten Jahr 2022 ließen insgesamt nur drei Kinder bei Unfällen mit KFZ-Beteiligung im Straßenverkehr ihr Leben. Alle drei Fälle ereigneten sich innerhalb von geschlossenen Ortschaften.

  • Das einzige Kind, das in einer der 80 deutschen Großstädte mit mehr als 100.000 Einwohnern ums Leben kam, verstarb nach der Kollision mit einem durchfahrenden PKW in Berlin, als es in Begleitung eines Erwachsenen von der Mittelinsel einer durch Grünstreifen getrennten Fahrbahn aus die andere Straßenseite erreichen wollte.
  • Ein Kind geriet in Celle innerhalb eines abgesperrten Baustellenbereichs unter eine rückwärts fahrende Baumaschine.
  • Das dritte Kind wurde von einem linksabbiegenden LKW erfasst, als es im Dorf Schenefeld (Kreis Steinburg) vom linken Gehweg aus an einer Ampelkreuzung die Fahrbahn überquerte.

Mussten in 2022 Kinder sterben, weil sie mangels baulicher Fahrradinfrastruktur von hinten angefahren wurden?

Im gesamten Jahr wurde kein einziges Kind durch ein Kraftfahrzeug im Längsverkehr so schwer verletzt, dass es starb. In keinem der drei Fälle mit KFZ-Beteiligung benutzte das betroffene Kind die allgemeine Fahrbahn oder eine mittels gemalter Markierung von der Fahrbahn abgeteilte Fläche.

Update Dezember 2022

Update der Unfallsteckkarte, Update Calendar-Chart 2022, Stand 2.1.2023.

Unfallentwicklung im Dezember 2022

Im Dezember 2022 wurden nur 17 neue Einträge in die Datenbank aufgenommen. Damit ist der Dezember bislang der einzige Monat im laufenden Jahr, für den im langjährigen Vergleich ein neuer Monatsbestwert auf- oder eingestellt wurde.

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Sechs der 17 Neueinträge betrafen Alleinstürze durch Fahrfehler oder Gesundheitsprobleme, wobei offenbar keiner der tödlichen Alleinunfälle durch winterliche Erschwernisse bedingt war. Von den verbleibenden 11 Fällen geschahen 3 ohne Mitwirkung von KFZ. Zwei Radfahrer verunglückten tödlich an Schienenübergängen (1x außerorts mit Eisenbahn an Drängelgitter im Verlauf eines Fußweges, 1x innerorts mit Straßenbahn nach Rotlichtmissachtung). Ein Radfahrer stürzte und wurde dabei tödlich verletzt, nachdem er auf einer kleinen außerörtlichen Straße ohne Sonderwege mit einem Fußgänger zusammengestoßen war.

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Das insgesamt sehr niedrige Ergebnis im Dezember dürfte auf das ausgeprägte Winterwetter mit strengem Frost und Glätte um die Montatsmitte zurückzuführen sein. Insbesondere Zusammenstöße mit KFZ außerorts blieben dadurch selten, während das Resultat bei innerörtlichen KFZ-Kollisionen und Alleinunfällen auf niedrigem durchschnittlichen Niveau blieb.

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Unfälle mit KFZ

Insgesamt nur 8 Todesfälle mit KFZ-Beteiligung (4x PKW, 4x LKW) sind auch für einen Dezember ein sehr niedriger Wert. In allen Fällen gab es am Unfallort vorhandene Radverkehrsanlagen. Während es im Dezember 2022 keinen tödlichen Auffahr- oder Streifunfall zu verzeichnen gab, kam es gleich viermal zu Todesfällen unter Beteiligung von rechtsabbiegenden KFZ, wobei in allen vier Fällen teils deutliche Abweichungen vom bekannten Muster dieser Unfälle auftraten. Ausnahmsweise war z.B. an einem der vier Fälle ein PKW beteiligt, der Radfahrer kam entgegen der zulässigen Fahrtrichtung dem Abbieger auf dem Radweg entgegen und die nach rechts abiegende Straße bildete einen spitzen Winkel zur kreuzenden Straße, so dass mit sehr hoher Geschwindigkeit abgebogen werden konnte. Unterschiede zum ansonsten üblichen Muster gab es im Dezember auch, als in einem weiteren Fall der LKW nicht an einer Kreuzug über den Radweg rechts abbog, sondern der beteiligte Tanklaster in ein Grundstück im Verlauf der Straße einfuhr. Bei einem der vier Vorfälle passierte das Unglück morgens vor Beginn der Dämmerung noch im Dunkeln. Hier lässt der vorliegende Polizeibericht zudem offen, in welcher Richtung sich die verunglückte Radfahrerin relativ zum Abbieger bewegte. Schließlich handelte es sich beim vierten Rechtsabbieger-Todesfall beim Unfallverursacher ausnahmsweise nur um die reine Zugmaschine ohne Sattelauflieger. 

Dreimal resultierte im Dezember ein tödliche Sturz aus einer Vorfahrtverletzung (1x Rad, 2x KFZ) und einmal streifte der Getötete den Rückspiegel eines auf dem Radweg haltenden PKW, wodurch er ins Schlingern geriet, vom Radweg herab auf die Fahrbahn stürzte und dort von einem in diesem Augenblick vorbeifahrenden PKW überrollt wurde.

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Die ersten zehn Jahre

Mit Ablauf des vergangenen Jahres umfasst meine Sammlung tödlicher Fahrradunfälle in Deutschland einen Zyklus von 10 kompletten Jahrgängen. Wenngleich der „Corona-Dip“ in den Jahren 2020 und 2021 vieles vorübergehend verzerrt, kennzeichnen unter dem Strich die folgenden stabilen langfristigen Trends für mich diese Dekade:

  • Stabilisierung der Gesamttodesfälle auf ca. 400/Jahr trotz nachhaltigen Radverkehrswachstums
  • Zunahme der Alleinstürze und kompensatorisch Reduktion der KFZ-Opfer
  • Abnahme der Überholunfälle durch Rammen/Streifen mit KFZ von hinten auf unter 30/Jahr
  • völliges Fehlen von Ramm/Streif-Opfern in Großstädten seit über 5 Jahren
  • Halbierung der tödlichen Rechtsabbiegeunfälle mit Schwerlast-LKW auf unter 20/Jahr
  • Verschiebung der Todesfälle vom Stadtgebiet ins Freiland
  • Zunahme des Durchschnittsalters der Getöteten von 59 auf 64 Jahre

Während die ersten 5 Punkte plausibel durch das „Safety in Numbers“-Phänomen erklärt werden können, sind die beiden letzten höchstwahrscheinlich Folge der rasant steigenden Pedelec-Verkäufe, die nicht nur zu einer allgemeinen Steigerung der Radelaktivität vorwiegend älterer Menschen geführt haben, sondern die wohl auch bewirkt haben, dass die Senioren sich auch vermehrt Touren ins außerörtliche Gebiet zutrauen, was wiederum das Risiko steigert, dass sie dort mit dem schnellen KFZ-Verkehr kollidieren. Entgegen der landläufigen Annahme besteht das Risiko auf der Landstraße allerdings nicht darin, dass man von unachtsamen oder rücksichtslosen Autofahrern beim Überholen in den Graben geschleudert würde. Vielmehr resultiert die Zunahme der außerörtlichen KFZ-Kollisionen daraus, dass Radfahrer aus einer Nebenstraße oder einem Feld- oder Waldweg kommend den KFZ-Schnellverkehr auf der Hauptstraße übersehen und mit diesem ungebremst kollidieren.

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Risiko durch PKW innerorts 2022

Für die Frage, ob interessierte Umsteigekandidaten das Fahrrad für innerörtliche Alltagswege in Betracht ziehen, dürfte wohl kaum ein Faktor von so großer Bedeutung sein wie die Sorge, durch aggressive oder unachtsame PKW-Führer schuldlos über den Haufen gefahren zu werden. Die folgende Auswertung zeigt, dass diese Sorge jedoch unbegründet ist.

Angesichts der nur wenigen verbleibenden Tage bis zum Jahresende, die wegen der vielen Feier- und Ferientage und wegen der fahrradunfreundlichen Witterungs- und Lichtverhältnisse im Dezember tendenziell sehr verkehrsarm sein werden, ist absehbar, dass sich an der vorliegenden Zusammenstellung nicht mehr viel ändern wird. Infolgedessen nutze ich die Gelegenheit für einen ersten Jahresrückblick.

Die untenstehende Tabelle zeigt die aktuellen Liste mit sämtlichen im laufenden Jahr 2022 bekannt gewordenen tödlichen Fahrradunfällen unter Beteiligung von fahrenden PKW innerhalb von deutschen Städten mit mindestens 20.000 Einwohnern. Definitionsgemäß beginnt ab dieser Schwelle eine „Mittelstadt“, während „Großstädte“ mindestens 100.000 Einwohner besitzen müssen. Orte unter 5.000 Einwohnern zählen noch als „Dorf“, wohingegen Ansiedlungen im Bereich zwischen 5.000 und 20.000 Einwohnern als Kleinstädte bezeichnet werden. Von der deutschen Bevölkerung haben immerhin ca. 60% der Einwohner ihren Wohnsitz in einer Groß- oder Mittelstadt. Zudem dürfen Dörfer und Kleinstädte bezüglich der Verkehrsbelastung als eher unkritsch gelten. Die mediale Berichterstattung fokussiert die Infrastrukturdebatte jedenfalls ausschließlich auf „Städte“ und meint damit ganz sicher nicht Orte wie Bischofsgrün in Bayern oder Wanzleben in Sachsen-Anhalt. Infolgedessen ist die Beschränkung auf das Unfallgeschehen in Mittel- und Großstädten durchaus aussagekräftig und lohnenswert.

(Anmerkung: Klick in das Tabellenbild öffnet die sortierbare Tabelle in einem neuen Fenster)

Bis zum Stichtag 8.12.2022 sind erst 18 Fälle in allen 761 in Frage kommenden Städten registriert worden. Da Berlin in dieser kurzen Liste gleich 5x vertreten ist, haben demnach 747 Städte (73 der 80 Groß- sowie 674 der 681 Mittelstädte) im laufenden Jahr keinen tödlichen Fahrradunfall mit PKW-Beteiligung gehabt („PKW-Fahrrad-Vision-Zero“). Folge dieser geringen Anzahl ist auch, dass im laufenden Jahr immerhin in der Hälfte aller deutschen Bundesländer kein PKW-Fahrrad-Todesfall auftrat. Bis auf eine Ausnahme in Dessau-Rosslau (Sachsen-Anhalt) ist insbesondere Ostdeutschland in der Liste nicht vertreten.

Unfallhergänge

Mit insgesamt 14 der 18 Fälle stellen 90°-Vorrangkonflikte (300er-Gruppe der Unfalltypen) die häufigste Variante unter den Unfallhergängen.

Im Einzelnen gab es hierunter 6 Vorfahrtkonflikte, 6 gescheiterte Fälle von Fahrbahnüberquerung und 2 Todesfälle durch PKW-Führer, die aus einem Grundstück in die Fahrbahn einfuhren. Zwei Radfahrer starben bei „Freak“-Unfällen, die sich aus akuten Gesundheitsproblemen (epileptischen Anfällen) der Autofahrer ergaben. Die verbleibenden 2 tödlichen PKW-Unfälle resultierten aus Fehlern beim Linksabbiegen, wobei je einmal der getötete Radfahrer und einmal der PKW-Fahrer abbog. Es gab keinen Todesfall durch einen unachtsam rechts abbiegenden PKW-Lenker. Vor allem aber wurde kein Fall bekannt, in dem ein PKW-Fahrer durch rücksichtsloses Überholen oder Vorbeifahren einen Radfahrer im Längsverkehr niedergestoßen und tödlich verletzt hätte. Hinsichtlich der Typenverteilung entspricht der Jahrgang 2022 damit durchaus dem aus den Vorjahren bekannten Bild. Auch im Hinblick auf das Auftreten von Unfällen zwischen PKW und Fahrrädern mit „nur“ schweren Verletzungsfolgen deckt sich der vorliegende Mix mit meinem bei der täglichen Recherche nach Todesfällen nebenher gewonnenen subjektiven Eindruck.

Straßenteile

Bis auf 2 Ausnahmen, wo es im Umfeld lediglich eine Fahrbahn gab, passierten alle Unfälle in Straßen bzw. auf Kreuzungen, die über irgend eine Art von Radverkehrsführung verfügten. Elfmal passierte dabei der Unfall an Straßenstellen mit konventionellen Hochbordradwegen. Zweimal war ein Radfahrstreifen vorhanden und dreimal gab es einen Schutzstreifen. Aufgrund der Tatsache, dass entweder eine Radverkehrseinrichtung vorhanden war und/oder der Unfall aus einem 90°-Vorrangkonflikt resultierte, kann man feststellen, dass „fehlender Radweg“ in keinem einzigen Fall als begünstigender Faktor zu erkennen ist.

Persönliche Merkmale der Opfer

Bei den Getöteten handelt es sich mehrheitlich (Verhältnis 13:5) um Männer. Die Hälfte der Opfer war mindestens 70 Jahre alt. Das Durchschnittsalter der Betroffenen liegt mit 62,5 geringfügig unter dem Schnitt von 64,1 Jahren, der in 2022 für alle bundesweit getöteten Radfahrer gilt. Die kleine Abweichung ist jedoch allein darauf zurückzuführen, dass unter den Stadt-PKW-Opfern ausnahmsweise auch ein 5-jähriges Kind ist. Ohne dieses außergewöhnlich seltene Ereignis liegt der Altersschnitt vom Rest bei 65 Jahren.

Beteiligte PKW

Entgegen ihres negativen Image als „Stadtpanzer“ sind SUV gemessen an der Zulassungsstatistik unter den beteiligten PKW-Typen offenbar deutlich unterrepräsentiert. Soweit die Art des PKW in den Presseberichten überhaupt für erwähnenswert gehalten oder im Bildmaterial gezeigt wird, handelt es sich bei den Unfallgegnern eher um Kleinwagen oder biedere Mittelklasse-PKW. Ebenso sind die einschlägig berüchtigten Nobelmarken mit „eingebauter Vorfahrt“ keineswegs auffällig oft beteiligt.

Schuldverteilung

Die für viele spannendste Frage soll am Schluss erörtert werden: welche Schuldverteilung gibt es bei Todesfällen nach Kollision zwischen Rad und PKW in der Stadt? Den in den Unfallberichten genannten Fahrlinien der beiden Beteiligten vor der Kollision zufolge dürften in der Mehrheit der Fälle (Verhältnis 9:7) der verstorbene Radfahrer den gröberen/einzigen Fehler begangen haben. Die Meldungen geben in keinem Fall Anlass dazu, offensichtliche Absicht oder bewusste Fahrlässigkeit („es als Stärkerer einfach mal drauf ankommen lassen“) zu unterstellen.

Auf Autofahrerseite stehen dabei allerdings noch die zwei Fälle mit kollabierenden Lenkern im Raum, bei denen mangels Einblick in die Krankenakten oder ggf. im Nachhinein erstellte medizinische Gutachten vorerst unbekannt bleiben muss, inwiefern die Verursacher ihren fatalen Kollaps hätten vorhersehen können und müssen.

Fazit

Todesfälle mit PKW-Beteiligung sind unabhängig von der Schuldverteilung innerorts so selten, dass niemand aus Sorge davor auf das Fahrrad als Verkehrsmittel verzichten muss. Auch im Hinblick auf (nicht) vorhandene Fahrrad-Infrastruktur besteht kein Anlass für die Meidung spezieller als „unsicher“ verrufener Führungsformen. Egal ob Fahrbahn, Hochbordradweg oder die als „Mordstreifen“ geschmähten Streifenlösungen auf Fahrbahnniveau – alles kann unter dem Gesichtspunkt des Risikos sprichwörtlich „unters Auto zu kommen“ in deutschen Städten gleich sicher benutzt werden.

Update November 2022

Update der Unfallsteckkarte, Update Calendar-Chart 2022, Stand 2.12.2022.

Unfallentwicklung im November 2022

Der aktuelle November war der erste Jahresmonat seit langem, in dem nicht nur der langjährige Durchschnitt übertroffen wurde, sondern gleich ein neuer Höchstwert erfasst werden musste. Gleich 38 neue Einträge kamen bis zum Redaktionsschluss am 3.12. in die Datenbank, einer mehr als im November 2015. Das Ergebnisist wohl eher ein starker Hinweis darauf, dass mittlerweile auch im November die Zahl der Radfahrer auf der Straße erfreulich hoch liegt, als Anlass zu Unkenrufen über steigende Risiken durch immer rücksichtslosere Kraftfahrer.

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Neben 11 Todesfällen durch Gesundheitsprobleme bzw. eigene Fahrfehler ohne Einwirkung Dritter starben 3 Radfahrer an Schienenübergängen durch Kollision mit durchfahrenden Zügen. Zweimal kam es zu einem tödlichen Unfall unter Radfahrern durch Frontalzusammenstoß auf Radwegen.

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Dem aktuellen Trend folgend liegt die Anzahl allein gestürzter Radler aufs ganze Jahr gesehen nahe dem Rekordniveau von 2019. Ebenso liegt auch die außerorts bei Kollision mit KFZ getöteten Radfahrer nahe an den bisher erfassten Jahreshöchstwerten. Vorläufig unter dem Bestwert aus dem Vorjahr bleibt allerdings erfreulicherweise die Zahl der innerorts mit KFZ-Beteiligung gestorbenen Radfahrer.

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Unfälle mit KFZ

Im November 2022 gab es 22 Todesfälle zwischen KFZ und Fahrrad, wovon 14  einer Kollision mit PKW und 7 mit LKW zum Opfer fielen. Ein Radfahrer starb, als ein Traktorgespann an einer Feldwegeinmündung für einen querenden Radfahrer zurücksetzte, der den Radweg der Hauptstraße benutzte, und dabei einen weiteren hinter ihm aus einem selbständigen Radweg in den Feldweg eingefahrenen Radfahrer überrollte. Ein Radfahrer kam ums Leben, weil er entgegen der Fahrtrichtung den Seitenstreifen der Autobahn 81 benutzte und von dort aus nach rechts auf den ersten Fahrstreifen geriet, wo er frontal mit einem heranfahrenden LKW im Gegenverkehr kollidierte. Über die Gründe für dieses Manöver schweigen sich die Polizei und Presse bislang ebenso aus wie über die Identität des Toten. Die Zurückhaltung könnte auf ein besonders bizarres Suizidgeschehen hindeuten.

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Dreimal gerieten Radfahrer unter rechts abbiegende Schwer-LKW. Damit erhöht sich die Gesamtzahl dieser Vorfälle in 2022 auf 16, was nach wie vor erheblich niedriger liegt, als die von 2013-2020 gewöhnlich registrierte Zahl dieser Hergänge.

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Zwei weitere Auffahrunfälle wurden im November registriert. Wie für diese Unfallart üblich wurden die Opfer nicht innerorts und beim Überholen mit zu wenig Seitenabstand gestreift, sondern außerorts vom mit Reisegeschwindigkeit auflaufenden KFZ-Führer ohne Reaktion mit vollem Querschnitt gerammt. Beide Unfälle passierten auf kleinen Kreisstraßen, mutmaßlich bei Verkehrsstille und bei Dunkelheit bzw. fortgeschrittener Dämmerung.kfz2022_typen

Prognose für 2022

Aufgrund der bisher nach 11 Monaten von mir erfassten Fälle, der allgemeinen Unfallentwicklung auch unter Kraftfahrzeugen, und den erfahrungsgemäß bei Durchsicht der OpenData-Files vom Destatis Unfallatlas-Portal im kommenden Sommer noch hinzukommenden Nachmeldungen für bisher übersehene Fahrrad-Todesfälle zeichnet sich ab, dass der Endwert 2022 mit insgesamt etwa 400 Todesfällen leider wieder über dem guten Ergebnis des Jahres 2021 (372) liegen, jedoch noch unter den hohen Werten aus den Vor-Coronajahren 2018 und 2019 (je 426) bleiben wird. Dies wird jedoch nicht an einem Anstieg der innerorts und mit Kraftfahrzeugbeteiligung ums Leben gekommenen Radfahrer liegen. Dieser für die Bereitschaft, im Alltag das Fahrrad als Verkehrsmittel zu nutzen, so wichtige Kennwert bleibt in etwa auf dem herausragend guten Niveau von 2021.

 

Update Oktober 2022

Update der Unfallsteckkarte, Update Calendar-Chart 2022, Stand 4.11.2022.

Unfallentwicklung im Oktober 2022

Mit 40 neuen Einträgen in die Datenbank verlief die Unfallerfassung im Oktober 2022 im Vergleich mit dem Mittel der Vorjahre nur knapp unterdurchschnittlich. Hierzu dürfte sicherlich auch die längere Periode mit spätsommerlich warmem und trockenem Wetter und die damit einhergehende verstärkte Radel-Aktivität beigetragen haben. Im Vergleich mit dem unmittelbaren Vorjahr erwies sich der Oktober 2022 allerdings mit 40 gegenüber 52 Todesfällen immer noch als deutlich ruhiger.

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Ein gutes Drittel der Todesfälle ging im Oktober auf das Konto von Alleinstürzen. Todesfälle mit dem Schienenverkehr gab es nicht, jedoch starb ein Radfahrer in München nach der Kollision mit einem Fußgänger, der unachtsam den Radweg betreten hatte.

monatstorte

In der Jahresentwicklung bleibt es auch nach 10 Monaten beim bisher gewohnten zweigeteilten Bild: die insgesamt durchschnittliche Gesamtentwicklung resultiert aus ungewöhnlich vielen Alleinunfällen und einem weiterhin relativ regen Geschehen an außerörtlichen Unfällen mit KFZ einerseits und auffällig wenig Todesfällen mit KFZ-Gegnern innerorts andererseits.

jahresgang2022

Unfälle mit KFZ

Im Oktober 2022 gab es insgesamt 25 Todesfälle mit fahrenden KFZ. Neben 13 beteiligten PKW und 10 LKW gab es je einen tödlichen Unfall zwischen Fahrrad und Traktor bzw. Kraftrad. Entsprechend dem allgemeinen Trend lag in der Mehrheit der Fälle der Unfallschauplatz im unbebauten Freiland.

kfz2022

Obwohl im Oktober drei „Ü“-Typ-Unfälle sowie zwei LKW-Rechtsabbiegerunfälle registriert wurden, bleiben diese beiden unter meiner besonderen Beobachtung stehenden Hergangsvarianten aufs Gesamtjahr gesehen weiterhin ungewöhnlich seltene Ereignisse.

Zum ersten mal in diesem Jahr kam es zu einem Ramm-/Streifunfall innerorts. Ein LKW-Führer überholte im niedersächsischen Dorf Schapen einen Radfahrer und scherte wegen Gegenverkehrs zu früh wieder nach rechts ein. Die Unfallstelle liegt allerdings schon relativ dicht vor dem Ortsausgang, zudem herrschten kurz vor Sonnenaufgang und bei östlicher Fahrtrichtung sehr ungünstige Sichtverhältnisse.

Einer der beiden LKW-Rechtsabbiegerunfälle geschah ungewöhnlicherweise in einer Straße ohne dezidierte Radverkehrsanlage. Obwohl es nicht gänzlich auszuschließen ist, dass sich bisweilen auch ein 85-Jähriger bei roter Ampel auf der Fahrbahn rechts neben einen wartenden LKW verirrt und dann bei Grün vom gleichzeitig anfahrenden rechtsabbiegenden LKW erfasst und überrollt wird, deutet in diesem Fall der erste Anschein darauf hin, dass auch diese Kollision dadurch verursacht wurde, dass der Radfahrer nicht auf der Fahrbahn fuhr, sondern wohl den Gehweg und die tief in die Nebenstraße gezogenen Fußgängerfurt benutzt hat. Für diesen Hergang spricht insbesondere der Standort des beteiligten LKW ca. 20 m in der Nebenstraße.

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Am letzten Tag des Oktober kam es in Berlin zu einem Unglück, das bundesweit für höchste Aufregung auf allen Kanälen sorgte. Ein Betomischer rammte und überrollte auf der Bundesallee eine Radfahrerin, die drei Tage später im Krankenhaus ihren schweren Verletzungen erlag. Da die Radlerin zunächst unter dem LKW eingeklemmt war, wurde ein Spezialfahrzeug der Feuerwehr zur Bergung angefordert. Dieses Fahrzeug blieb jedoch in einem Stau stecken, der vermeintich durch die Aktion einiger Klimaschutzaktivisten ausgelöst worden war. Im Getöse um das Mitverschulden der Aktivisten am Tod der Radfahrerin ging in der Berichterstattung leider die Erörterung des genauen Unfallhergangs unter. Erschwerend für eine genaue Analyse kommt hinzu, dass die Bundesallee grundsätzlich über einen benutzungspflichtigen Radweg verfügt. Auch dieses Detail dürfte das Interesse der Öffentlichkeit am genauen Unfallhergang gedämpft haben (je nach verkehrspolitischer Grundeinstellung sei entweder die Radfahrerin selber schuld oder aber die für die unbequeme Linienführung des Radweges zuständige Verkehrsplanung des Senats verantwortlich gewesen). Meinem Eindruck der veröffentlichten Unfallfotos nach beruht der Zusammenstoß auf einem Fehler beim Spurwechsel zum Linksabbiegen. Die Kollision geschah zentral im dritten Fahrstreifen von rechts kurz vor der 2+2 Y-Gabelung der an dieser Stelle vierspurigen Bundesallee. Da die Radfahrerin mit voller Wucht von der gesamten Front des LKW erfasst sein muss, kann es sich jedenfalls nicht um ein dank Unterschreitung der geforderten seitlichen Mindestabstände gescheitertes Überholmanöver gehandelt haben.

 

Update September 2022

Update der Unfallsteckkarte, Update Calendar-Chart 2022, Stand 4.10.2022.

Unfallentwicklung im September 2022

Im Verlauf des Septembers 2022 kam es zu einer durchgreifenden Wetterumstellung, die die sommerliche Dürreperiode landesweit beendete und für nasskalte und weniger fahrradfreundliche Bedingungen sorgte. Möglicherweise deswegen war der September nach den hyperaktiven Vormonaten wieder durch eine unterdurchschnittliche Anzahl tödlicher Radunfälle gekennzeichnet. Insgesamt gab es 39 neue Einträge zu verzeichnen.

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Rund ein Drittel der Fälle (13) war auf Alleinstürze zurückzuführen. Zwei Tote gab es an Bahnübergängen. Auf einem außerörtlichen Radweg bei Gernsheim verstarb ein Radfahrer nach der Kollsion mit einem Rennradfahrer im Gegenverkehr.

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Im Jahresverlauf bestätigt sich das gewohnte Bild: auffällig wenigen fatalen Kollisionen mit KFZ innerhalb geschlossener Ortschaften stehen weiterhin überdurchschnittliche viele Todesopfer nach Alleinstürzen bzw. nach Kollisionen mit KFZ auf außerörtlichen Straßen und Wegen gegenüber.

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Unfälle mit KFZ

Bei den insgesamt 24 Unfällen mit KFZ-Gegnern waren je 10 mal PKW bzw. LKW beteiligt. Weiterhin gab es zwei tödliche Kollisionen mit Krafträdern sowie je einen Unfall mit einem Traktor und einem Wohnmobil als Gegner. Die nur neun tödlichen Unfälle mit KFZ innerorts konnten lediglich im September 2019 um einen unterboten werden.

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Im September 2022 gab es einen Todesfall zwischen Fahrrad und rechtsabbiegendem LKW, womit nach drei Quartalen erst insgesamt 11 tödliche Rechtsabbiegerunfälle zu Buche stehen. Ebenso gab es einen weiteren tödlichen Auffahrunfall – dem bekannten Muster zufolge bei Verkehrsstille und außerorts. Der auffahrende Transporterfahrer ließ die getroffene Radfahrerin sterbend zurück, konnte aber schon wenig später ermittelt und festgenommen werden.

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Update August 2022

Update der Unfallsteckkarte, Update Calendar-Chart 2022, Stand 1.9.2022.

Unfallentwicklung im August 2022

Im August 2022 gab es 59 neue Einträge in der Datenbank. Nach dem Mai 2022 stellt damit auch der August einen im Vergleich zum langjährigen Mittel deutlich hyperaktiven Jahresmonat dar. Lediglich in 2016 und 2019 ware mit 60 bzw. 67 Opfern mehr Fälle zu verzeichnen.

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Bei der differenzierten Analyse des Jahresgangs bestätigt das aus den Vormonaten gewohnte Bild: überdurchschnittlich vielen Unfälle ohne weitere Beteiligte (30 von 59) stehen auch im August mittelmäßige Werte bei außerörtlichen bzw sehr niedrige Zahlen bei innerörtlichen Unfällen mit KFZ-Beteiligung gegenüber.

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Anmerkung: Durch stehende Fahrzeuge induzierte Stürze werden als Typ „solo“ registriert, erhalten aber dennoch in der Datenbank das Gegner-Merkmal „KFZ“ bzw. „Fahrrad“. Im August gab es jeweils einen solchen Fall mit einem anderen Radfahrer bzw. einem stehenden PKW. Infolgedessen kommt es im August zu geringfügigen Abweichungen zwischen den einzelnen Angaben in den gezeigten Diagrammen und Tabellen.

Drei Radfahrer verunglückten im August nach Stürzen unter Beteiligung von anderen Radfahrern tödlich. Ein Radfahrer erlag an einem unbeschrankten Bahnübergang mit Drängelgitter seinen Verletzungen.

jahresgang2022

Unfälle mit KFZ

Im August 2022 starben 23 Menschen nach Kollision mit fahrenden KFZ. Neben 14 Kollisionen mit PKW gab es 7 mit LKW sowie je 1 Zusammenstoß zwischen Rennradler und Traktor auf einem Feldweg und zurücksetzendem Bagger und radelndem Vorschulkind innerhalb eines gesperrten Baustellenbereiches. Eine Radfahrerin starb darüber hinaus infolge der Kollision mit der an einem Taxistand und durch einen Taxifahrer in den Radfahrstreifen aufgestoßenen Fahrertüre. Ein Radler schließlich stürzte tödlich, nachdem er bergab fahrend die Kontrolle verlor und mit der Seite eines im Zuge eines Rangiervorganges am linken Fahrbahnrand wartenden PKW zusammenstieß.

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Nach der, Auffahrunfälle bzw. Rechtsabbieger-Unfälle betreffend, bislang sehr erfreulichen ersten Jahreshälfte gab es im August in beiden Rubriken jeweils gleich mehrere neue Einträge zu vermerken.

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Dreimal starben Radfahrer beim Versuch, geradeaus eine Kreuzung zu passieren, während links neben ihnen ein LKW rechts abbog und sie dabei überrollte. Damit erhöht sich die Jahresbilanz von 6 auf -immer noch relativ wenige- 9 solcher Vorfälle. Einer der drei Fälle bildet dabei in zweierlei Hinsicht eine Ausnahme vom gewohnten Bild: erstens liegt der Unfallort außerorts, und zweitens war am Geschehen diesmal ausnahmsweise weder eine Radwegfurt noch eine Ampelanlage beteiligt. Vielmehr scheint der Radfahrer versucht zu haben, bei Stau auf der Hauptstraße einen wartenden LKW mit Anhänger in der Nebenstraße auf der Fahrbahn rechts zu überholen, um dann an der Kreuzung geradeaus auf den jenseits der Hauptstraße liegenden Einseiten-Zweirichtungsradweg aufzufahren. Leider fuhr der LKW-Fahrer genau in diesem Augenblick im Stop&Go wieder an und erfasste den neben ihm befindlichen Radler. 

Binnen nur 15 Tagen ereigneten sich zudem in der ersten Monatshälfte gleich 5 Auffahrunfälle zwischen Radfahrern und von hinten auflaufenden schnelleren KFZ. Entsprechend dem bekannten Muster passierten alle Auffahrunfälle auf außerörtlichen Straßen, wobei drei davon bei völliger Dunkelheit geschahen und in einem weiteren Fall die Kollision durch Schlagschatten aufgrund der im Wald frontal stehenden Sonne begünstigt worden sein dürfte. Bei der einzigen Streifkollision unter den fünf Fällen mit einem überholenden LKW in Oestinghausen könnte ein Linksabbiegemanöver des Opfers mitbeteiligt gewesen sein. Die in der Tagespresse veröffentlichten Bilder zeigen jedenfalls anhand der markierten Bremsspuren, dass der LKW offensichtlich noch versucht hatte, dem (möglicherweise auf den links liegenden Zweirichtungs-Radweg abbiegenden?) Pedelecfahrer durch einen extrem starken Linksschwenk nach links auszuweichen. Das in den Aufnahmen abgebildete Fahrrad ist augenscheinlich unbeschädigt.

Einen der Auffahrunfall-Schauplätze konnte ich dank der Nähe zu meinem Wohnort persönlich in Augenschein nehmen. Die auch noch nach mehreren Tagen deutlich vorhandenen Spuren der Unfallaufnahme weisen hier darauf hin, dass der PKW der Unfallverursacherin auf der kilometerweit geradeaus führenden Straße im Dunkeln ungebremst und ohne Lenkbewegung den ca. 30 cm links der Seitenmarkierung fahrenden Radler voll getroffen haben muss.

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Durch die Wucht des Anpralls wurde er und sein Fahrrad mehrere Meter nach vorne abgewiesen und durch die Luft geworfen. Das Fahrrad zerbrach dabei in mehrere Teile. Insgesamt bestätigt das Schadbild den Befund, dass tödliche Auffahrunfälle in aller Regel keine Folge von fahrlässig oder vorsätzlich unterschrittenen Vorgaben des vorgeschriebenen Sicherheitsabstandes sind, sondern auf vollständiger Nicht-Wahrnehmung des Opfers beruhen.

 

Update Juli 2022

Update der Unfallsteckkarte, Update Calendar-Chart 2022, Stand 1.8.2022.

Unfallentwicklung im Juli 2022

Im Juli 2022 wurden 52 neue Ereignisse in die Datenbank aufgenommen. Damit entspricht das vorläufige Ergebnis knapp dem Durchschnitt aus den 9 Vorjahren. Bei der Hälfte der Unfälle war kein KFZ beteiligt. Dreimal kamen Radfahrer durch Kollision mit durchfahrenden Zügen ums Leben und ebenfalls dreimal waren die Verletzungen die Folge von Zusammenstößen mit anderen Radlern auf Radwegen; darunter je ein Vorfahrtfehler, ein Frontalzusammenstoß im Gegenverkehr sowie (nicht zum ersten Mal) ein Auffahrunfall unter gemeinsam fahrenden Ehepartnern. 20 Radfahrer stürzten und verstarben außerdem ohne weitere Beteiligte aus gesundheitlichen Gründen oder nachdem sie durch Fahrfehler die Kontrolle über ihr Fahrzeug verloren hatten.

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Damit ergibt die Entwicklung des Gesamtjahres nach dem Juli im Vergleich zu den Vorjahren ein insgesamt durchschnittliches Bild. Hervorstechend ist die weiterhin auf extrem niedrigen Niveau liegende Entwicklung bei den innerörtlichen Kollisionen mit KFZ und die knapp unter dem Rekordniveau von 2019 liegende Linie der Alleinunfälle. In den letzten Tagen sind einige Polizeidirektionen vorgeprescht und haben sich auf Basis der vorliegenden April- bzw Mai-Daten der amtlichen Unfallstatistik besorgt über die sich abzeichnende starke Zunahme der Radunfälle geäußert. Ebenso wurden auch schon entsprechende Kontrollen -natürlich, wo sonst- von Radfahrern angekündigt. Der wahrscheinlich in der allgemeinen Erholung der allgemeinen Mobilität nach den diversen verordneten und freiwillgen Pandemiebeschränkungen begründete Trend beschränkt sich bislang allerdings ausschließlich auf Alleinunfälle. Was KFZ als Gegner anbetrifft, befinden wir uns weiterhin auf dem erfreulichen Weg aus dem Vorjahr.  

jahresgang2022

Unfälle mit KFZ

Im Juni 2022 starben 26 Radfahrer nach Zusammenstößen mit den diversen Kraftfahrzeugen (19x PKW, 2x LKW, 3x Motorrad sowie 1 Radlader und 1 Gabelstapler). Innerhalb geschlossener Ortschaften wird mit 9 Gestorbenen der bisherige Juli-Bestwert aus 2016 eingestellt. Demgegenüber gab es außerorts mit 17 Opfern einen relativ hohen Wert zu beklagen.   

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Wie üblich, entfällt die große Mehrheit der KFZ-Opfer auf 90°-Konflikte (Vorfahrtfehler, Rotlichtverstöße, Fahrbahnquerungen). Es gab zudem ein LKW-Rechtsabbieger-Opfer an einer Radwegfurt in Hamburg.

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Im Landkreis Stendal verunglückte ein Radfahrer tödlich, indem er außerorts durch einen Radlader von hinten gerammt wurde. Letzterer wird konstruktionsbedingt sicherlich nicht mit unverträglich hoher Geschwindigkeit unterwegs gewesen sein. Möglicherweise wurde der Unfall dadurch begünstigt, dass der Fahrer nicht beachtet hatte, dass bei einer Überführungsfahrt die angehobene große Schaufel die Sicht nach vorne ganz oder teilweise entscheidend einschränkt.

Drei Radfahrer verstarben außerorts durch Kollisionen mit parallel fahrendem Schnellverkehr auf der Landstraße nach unachtsamem Abbiegen vom straßenbegleitenden Radweg in die Nebenstraße.

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Gleich 5 Todesfälle gingen im Juli auf das Konto von PKW-Führern, die völlig die Kontrolle über ihre Fahrzeuge verloren hatten (1x Rangierunfall auf Parkplatz, je 1x Rammstoß nach Schleudern über Radweg bzw Fahrbahn, 2x Schleudern in den Gegenverkehr). Diese fatalen Ereignisse unterstreichen offensichtlich und mehr noch als die üblichen „normalen“ Fahrradunfälle an Kreuzungen und Einmündungen, dass Verkehrssicherheit keine Frage des Antriebsprinzips möglicher Opfer ist. Alle diese Unfälle hätten grundsätzlich auch mit anderen Kraftfahrzeugen (z.B. Motorrädern) oder Fußgängern als Opfer passieren können. Fahrrad-Infrastruktur ist weder notwendig noch hinreichend, um solche Tragödien zu verhindern. Verkehrssicherheit ist unseparierbar.

 

Destatis Unfallatlas 2021

Am 15.7.2022 erfolgte die diesjähige Ergänzung des Datenbestandes im Unfallatlas-Portal. Am Interface sowie an Art und Zusammensetzung der Daten hat sich nichts geändert, weswegen diesbezüglich auf die Diskussion dazu in den Beiträgen zu den Jahrgängen 2019 und 2020 verwiesen werden kann.

Die neuen Daten wurden entsprechend dem Muster der Vorjahre nach Radunfällen gefiltert und den beiden auf dem Unfallatlas basierenden QGIS-Karten (alle Streif- oder Auffahr-Unfälle im Längsverkehr kumuliert ab 2016 bzw. alle Unfälle mit schwer oder tödlich Verletzten kumuliert ab 2016) hinzugefügt.

Analyse der tödlichen Fahrradunfälle

Das csv-File für 2021 enthält 324 Einträge der Kategorie 1 (Unfall mit Toten) in Kombination mit dem Merkmal „IstRad=1“ (Unfall mit Fahrradbeteiligung). Die Abnahme gegenüber dem Vorjahr (minus 43) entspricht im Trend grob dem Rückgang der vom Statistischen Bundesamt genannten Gesamtzahl tödlich verunglückter Radfahrer (Rückgang von 426 auf 372, minus 54). Wie auch schon in den beiden Vorjahren liegt die Quote der im Vergleich zur amtlichen Unfallstatistik nicht in der Datenbank enthaltenen Unfallereignisse bei etwa 15%. Von der Untererfassung, die u.a. durch mangelhafte Qualität der erhobenen GPS-Koordinaten im Zuge der Unfallaufnahme bedingt ist, sind aber alle drei Schwerekategorien (leicht, schwer, tödlich) beim Nachrechnen in etwa in gleicher Höhe betroffen. Schwere bzw tödliche Unfälle werden somit in dieser Hinsicht weder besser noch schlechter dokumentiert als leichte.

Die Orte der Todesfälle 2021 habe ich im QGIS-Kartenprogramm wie in den Vorjahren mit den in 2021 von mir bereits erfassten Unfallorten auf der Deutschlandkarte überlagert und alle Punkte registriert, für die in der nähren Umgebung kein Symbol für einen Eintrag in meiner Datenbank vorhanden war. Nach Ausschluss der wenigen Fälle, bei denen die Online-Recherche anzeigte, dass ein anderer Verkehrsteilnehmer (Fußgänger, Motorradfahrer) nach Zusammenstoß mit einem Radfahrer schwer verletzt und getötet worden war, verblieben 74 Neueinträge mit gestorbenen Radfahrern.

Welche Unfälle entgingen der laufenden Erfassung?

Wie in den Vorjahren entgingen auch in 2021 vorwiegend tödliche Alleinunfälle und Vorfahrtkonflikte der Erfassung über die tägliche Netzrecherche. Für 27 der 74 nacherfassten Ereignisse lässt sich bislang zum angegebenen Unfallort auch nachträglich keinerlei Online-Meldung über ein schwerwiegendes Ereignis ausfindig machen, wobei allerdings nur 8 Einträge Unfälle mit mehr als einem Beteiligten betreffen. Für die anderen 37 Fälle konnte eine für Termin und Ort passende Unfallmeldung gefunden werden, so dass hier die im OpenData-Bestand des Unfallatlas fehlenden Parameter wie z.B. Alter der Beteiligten, Pedelec-Nutzung, genauer Hergang und Unfallschuld nachgetragen werden konnten.

Ergebnis der Nacherfassung

Die folgende Abbildung zeigt die Verteilung der Unfalltypen und Unfallgegner bei der Nacherfassung. Die Unfälle sind mit den Indexnummern 21-346 bis 21-420 in die Gesamttabelle aufgenommen worden. 30 von 74 neuen Einträgen betrafen Unfälle ohne weitere Gegner. Unter den Unfällen mit weiteren Beteiligten fällt die überraschend hohe Zahl von 7 fatalen Kollisionen unter 2 Radfahrern auf. Unter den Unfällen mit KFZ war die Mehrzahl auf Fehler bei Vorfahrt oder Fahrbahnquerungen zurückzuführen. In 2021 gab es 4 Nachmeldungen, die Auffahrunfälle mit PKW betrafen, 3 davon außerorts und 1 innerorts.

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Insgesamt entspricht der Mix an Unfallhergängen unter Berücksichtigung der durch die kleinere Stichprobe zu erwartenden Schwankungen den Relationen, die aus den Vorjahren bzw. durch die Erfassung aus der Tagespresse bekannt sind, so dass es weiterhin keinen Grund für die Annahme gibt, dass bestimmte Unfalltypen dem Augenmerk der Öffentlichkeit in besonderer Weise verborgen blieben.

Für ergänzende Hinweise zu den Ereignissen, die lediglich im Unfallatlas-OpenData-Bestand gelisteten sind, bin ich jederzeit dankbar. Zur vereinfachten Durchsicht füge ich wie im Vorjahr einen Link zu einer Tabelle mit den entsprechenden „Orphan“-Einträgen ohne weitere Online-Quelle hier an.